ERDBEBENEINSATZ IN ALGERIEN 2003

Die sog. 18. Feuerlösch- und Bergebereitschaft des Oö. Landes-Feuerwehrverbandes war vom 23. bis 26. Mai 2003 erstmals im Katastropheneinsatz im Ausland. Nach dem schweren Erdbeben in Algerien, das über 2.200 Tote forderte, rückte die Einheit ebenfalls nach Nordafrika ab.

Unter den Mitgliedern des Einsatzteams befanden sich auch zwei Mitglieder der Freiw. Feuerwehr Alkoven: Hermann Kollinger und Fritz Reifenmüller.

Anhand eines Interviews, dass von Hermann Kollinger mit dem Onlinenachrichtenmagazin Oberoesterreich.com geführt hat, möchten wir Ihnen, werte Leser, einen kleinen Einblick in das Geschehen bieten:


Die beiden Teilnehmer aus Alkoven
Fritz Reifenmüller
   Hermann Kollinger

Fritz Reifenmüller (links) und Hermann Kollinger (rechts) am "Einsatzfahrzeug" durch Algerien. Auf einem
offenen Sattelschlepper ging es durch's Land.

Ein Einsatz der an die körperlichen und psychischen Grenzen geht. Hermann Kollinger hat die 18. Feuerlösch- und Berge-Bereitschaft auf ihrer Hilfs-Mission in das Erdbeben-Gebiet von Algerien begleitet und die Arbeiten der Retter dokumentiert. Oberoesterreich.com hat Hermann Kollinger zu seinen Eindrücken im Krisengebiet befragt.



Konnten die OÖ-Helfer Menschen
aus den Trümmern retten?

Feuerwehrmann unter den Trümmern

Fritz Reifenmüller

Wir wurden gleich nach unserer Ankunft in Boumerdes zum ersten Einsatz eingeteilt. In den Trümmern der eingestürzten Gebäude waren noch 14 Menschen als Vermisst gemeldet. Rettungshunde schlugen bei einem Gebäude an und so machten wir uns an die Arbeit.
Über mehrere Stunden wurde intensiv gewühlt, gebohrt und geschnitten bis wir am späten Nachmittag abgelöst wurden. Schließlich waren unsere Leute seit dem Morgen des Vortages auf den Beinen und hatten auch ihre Unterkunft noch nicht aufgebaut.
Unsere "Nachfolger", polnische Feuerwehrleute, arbeiteten weiter, wo wir aufgehört hatten und retteten in der Folge ein 12-jähriges Mädchen lebend aus den Trümmern.



Wie haben hat die algerische Bevölkerung die oberösterreichischen Retter aufgenommen?

Hermann im Einsatzgebiet

Eingestürzte Häuser

Die Leute selbst waren den Helfern positiv gegenüber eingestellt. Wo wir auch durchfuhren, winkten sie aus den Fahrzeugen und riefen "thank you". In Gesprächen ließen sie uns wissen: "Wir schätzen eure Hilfe enorm, nur leider kommt sie doch sehr spät. Ihr hättet viel viel früher angefordert werden bzw. kommen sollen. Aber das liegt an unserer Regierung".
Andere Menschen wiederum waren ebenfalls sehr zornig, was die Rettungsaktionen betraf. "Die meisten Regierungstreuen sind in den Städten Algier und Boumerdes. Daher auch hier die Konzentration der Rettungsleute. Draußen wird die Ordnung nur von Militär und Polizei gehalten, daher auch keine oder nur verspätete Hilfe. Gleiches gilt für die Versorgungs- und Hilfsgüter", so einige Algierer.

 

Wie schlimm sind die Schäden
nach dem Beben wirklich?

Rettungsaktion

Einsatz der Oö. Feuerwehreinheit

Der Eindruck, den man am Anfang erhalten mag, täuscht gewaltig über die Realität hinweg. Man hätte es am Beginn fast für unmöglich gehalten, dass die Opferzahlen so hoch sind. Es ist nicht so, dass gesamte Ortschaften komplett eingestürzt sind. Vielmehr stürzten inmitten von Siedlungen eine mehr oder wenige große Anzahl an Gebäuden ein. Das aber dafür über einen langen, breiten Küstenabschnitt!
Da in Siedlungen oft nur einzelne Gebäude einstürzten, darunter auch neue, während alte stehen blieben, kommt einem als Beobachter zumindest ein Wort sofort in den Sinn: Bausünden.


Gab es Nachbeben während Ihres Einsatzes?
Hatten Sie Angst vor weiteren Erdstössen?"

Zerstörte Gebäude

Zerstörte Gebäude

Mehrere Mitglieder unseres Trupps verspürten in der Nacht auf Sonntag ein leichtes Erdbeben, das aber keine Schäden mehr anrichtete. Es war nicht stark, denn viele verschliefen das Ereignis sogar.
Die Angst vor weiteren Erdstößen war dann enorm, als sich Menschen und speziell auch eigene Leute während der Arbeit unter eingestürzten Decken- und Mauerteilen befanden. Da hat man dann schon ein mulmiges Gefühl. Auch wenn man neben Hochhäusern mit Rissen stand, kam der Gedanke schnell einmal hoch.

 

Wie sind die hygienischen Bedingungen im Krisengebiet? Stehen Seuchen bevor?"

Das Camp

Der Transporter

Wir konnten uns von den hygienischen Bedingungen nur in den Sanitärbereichen unseres Lagers überzeugen. Und um es dezent auszudrücken: Man konnte nur hoffen, keinen Drang für eine Toilette zu verspüren.
Die Seuchengefahr war während unseres Aufenthaltes noch nicht so groß, es war noch nicht so viel an Zeit verstrichen, wenn auch der markante, süßliche Verwesungsgeruch teilweise nicht mehr zu vernachlässigen war...

 

Der Einsatz ging sicher an die psychischen und physischen Grenzen. Wie wird man mit den erlebten Eindrücken fertig?

Am Weg zum Flughafen

Geschafft - warten auf den Abflug

Vergleicht man die Zeit mit den erlebten Eindrücken, kann man nur sagen, dass es ein Wahnsinn ist. So viele Bilder, Emotionen und Eindrücke in so kurzer Zeit. Wenn wir auch vom Feuerwehralltag vieles gewohnt sind, kann man dennoch sagen, dass wir froh sind, die Bilder von vielen vielen Toten nicht miterlebt haben zu müssen.
Es zählen vielmehr die positiven Momente. Zu wissen, dass man mit seiner Vorarbeit zumindest ein junges Menschenleben hat retten können, motiviert. Schade ist jedoch, dass die Alarmierung der Einheit nicht früher erfolgt ist. Eine frühzeitigere Alarmierung garantiert zwar nicht, dass man mehr Menschen hätte retten können, die Chancen wären jedoch auf jeden Fall viel viel höher gewesen. Und trotz der vielen Eindrücke wären alle Beteiligten Kräfte bereit, auch beim nächsten Male wieder ihr Bestes zu geben.

Interview übernommen von Oberoesterreich.com